Persönliche Erklärung zum Sicherheitspaket

Persönliche Erklärung nach §31 GO BT zur zweiten und dritten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Gesetzentwurfs zur Verbesserung der inneren Sicherheit und des Asylsystems

Dieses Gesetz ist eine Katastrophe. Dieses Gesetz ist eine Katastrophe für die Menschen, die es betrifft und es ist eine Kapitulation vor einer öffentlichen Debatte nach dem schrecklichen Terroranschlag von Solingen, die nur noch einen irrationalen Überbietungswettbewerb mit Forderungen nach immer weiteren Verschärfungen des Asyl- und Aufenthaltsrechtes darstellte.

Die parlamentarischen Verhandlungen haben durch die entschlossene Haltung der Grünen Verhandler:innen den Gesetzesentwurf verbessert. Aber dass dieses Gesetz in dieser Form das Kabinett der Bundesregierung verlassen konnte, wird der Regierungsbeteiligung einer bündnisgrünen Partei, die den Anspruch an sich selbst hat, Menschenrechte konsequent zu schützen, nicht gerecht. Die Wut, Fassungslosigkeit und Enttäuschung über diese gesetzlichen Änderungen, die viele Menschen in Deutschland fühlen, ist deshalb mehr als Verständlichkeit und lebt auch in mir. Dem muss Grünes Regierungshandeln folgen.

Ein Teil der jetzt erfolgenden Abstimmung des Sicherheitspaketes betrifft Leistungsstreichungen für sogenannte „Dublin-Fälle“ – also Menschen, für deren Asylverfahren ein anderes EU-Land zuständig ist. Für diese Personen soll jetzt nach zwei Wochen der komplette Leistungswegfall gelten. Damit soll ein Anreiz geschaffen werden, dass sie Deutschland wieder verlassen und in das zuständige EU-Land zurückkehren. Das allein ist bereits perfide, denn in vielen europäischen Ländern ist der Schutz der Menschenwürde Geflüchteter nicht gewährleistet. Zugleich scheitern Überstellungen in andere EU-Länder in der überwiegenden Zahl der Fälle an der mangelnden Kooperation innerhalb Europas. Betroffene können dann faktisch nicht in das zuständige Land zurückreisen.

Auch mit der verhandelten Ergänzung, dass die Ausreise „rechtlich und tatsächlich“ möglich sein muss, bleibt ungewiss, ob Obdachlosigkeit und Verelendung wirklich verhindert werden können und was die Grundlage sein kann, dafür, dass das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge zur Feststellung kommt, dass die Ausreise möglich ist. Mit diesen Streichungen von Sozialleistungen sorgen wir dafür, dass Menschen Obdachlosigkeit droht. Das verletzt die Menschenwürde und hat mit Sicherheitspolitik absolut nichts zu tun.

Eine Zustimmung zu diesem Gesetz ist alleinstehend für mich aus fachlicher Sicht unmöglich. Die fachpolitische Einordnung der asylpolitischen Berichterstatterinnen der Grünen Bundestagsfraktion, der Kolleginnen Filiz Polat und Stephanie Aeffner, spricht für sich.

Ich muss zur Kenntnis nehmen, dass der Bundeskanzler die Bedeutung dieses Gesetzes für seine Regierung mehrfach öffentlich betont hat. Ein Scheitern des Gesetzes würde die Regierung mit hoher Wahrscheinlichkeit beenden und eine unkalkulierbare dynamische politische Entwicklung auslösen. Ein Teil dieser Dynamik würde an diesem Punkt und anhand dieses Gesetzes daraus bestehen, dass die politischen Kräfte in einen weiteren noch intensiveren Überbietungswettkampf einsteigen würden, um die härteste und unmenschlichste Migrationspolitik. Die Gefahr wäre groß, dass wir die Menschen, die wir vor diesem Gesetz schützen wollen, unmittelbar einer Asyl- und Migrationspolitik in tatsächlichen Gesetzen zu Beginn einer neuen Regierung aussetzen würden, die noch viel stärker ihre grundlegenden Rechte in Frage stellen und konkret beschneiden würde. Dieses Risiko kann ich zu diesem Zeitpunkt nicht tragen, nur aus diesem Grund stimme ich dem Gesetz zu.

Karoline Otte