Ende August stand meine Sommertour an: Eine Woche war ich in Deutschland unterwegs und mit Stadtwerken, Wohnungsbaugesellschaften und vielen weiteren Akteuren vor Ort im Gespräch – dort, wo ganz bewusst entschieden wurde, Verantwortung weg von privaten Gewinninteressen und hin zu unseren Städten und Gemeinden zu holen.
Hierbei geht es um nichts weniger als eine Transformation; sozial gerecht und zukunftsfest. Diese können wir nämlich nur gemeinsam erreichen. Ich wollte erfahren, was konkret gebraucht wird, damit wir diese Aufgabe gemeinsam stemmen können. Vor Ort, dort wo Verantwortung übernommen wird, gestalten wir Zukunft. Klar ist, wir dürfen die Strukturen vor Ort nicht kaputtsparen und eine gute Versorgung muss zukunftsfest aufgestellt werden! Große private Investoren helfen vielleicht kurzfristig, ein wenig Geld in die Kassen unserer Städte und Gemeinden zu spülen. Aber private Gewinninteressen gehen oft zu Kosten einer guten Versorgung vor Ort.
Wie also nehmen wir Verantwortung zurück in unsere kommunalen Hände? Das lest ihr hier!
Montag: Hamburg
Los ging meine Sommertour in Hamburg, wo seit 2013 das Strom-, Gas- und Fernwärmenetz von Vattenfall zurück in die Hand der Stadt übertragen wurden. Die Stadt hat damit drei wichtige energiepolitische Instrumente gewonnen. Auslöser war auch der Bau eines neuen Kohlekraftwerks durch Vattenfall. In einem Volksentscheid wurde eingefordert, die Energieversorgung zukunftsfest und nicht länger abhängig von den Konzerninteressen eines Aktienunternehmens aufzustellen.
Montag: Rostock
In Rostock wurde 2018 der Betreibervertrag für die Wasserversorgung nicht mit dem Konzern Remondis verlängert, sondern an das neu gegründete kommunale Unternehmen Nordwasser übergeben. Die Region profitiert davon, dass der Gewinn des Unternehmens endlich vor Ort bleibt und nicht in die Taschen von Aktionären abwandert. Die mehr als 300 Beschäftigten erhielten einen branchenüblichen Tarifvertrag und werden damit heute deutlich besser bezahlt. Für die Stadt Rostock ist Nordwasser auch ein wichtiger strategischer Partner, um die Stadt auf die Klimakrise mit Starkregen und Hitze vorzubereiten.
Dienstag: Kiel
Vor mehr als 20 Jahren hat die Stadt Kiel ihre Wohnungsbaugesellschaft mit mehr als 12.000 Wohnungen an Vonovia verkauft. 2019 hatte man genug vom Versprechen, dass der Markt das Problem mit dem Mangel an bezahlbaren Wohnraum schon regeln würde. Für viel zu viele Menschen in Kiel liefert der Wohnungsmarkt kein Angebot. Bei 0 gestartet hat die neu gegründete Kieler Wohnungsbaugesellschaft heute 500 Wohnungen und das Ziel, in den nächsten Jahren noch deutlich schneller zu wachsen. Für die Stadt ist es entscheidend, mit der KiWoG ein wohnungspolitisches Instrument gewonnen zu haben.
Mein erstes Fazit nach zwei Tagen – Entprivatisierung, das geht nicht ohne politischen Willen und auch nicht ohne den Einsatz gegen Profitinteressen von Konzernen. Der Kampf macht sich aber in Form von politischen Handlungsspielräumen bezahlt.
Mittwoch: Ratzeburg
Heute am dritten Tag meiner Sommertour war ich in einer sehr deutlich ländlicheren Region unterwegs, in Ratzeburg. Dort haben sich mehrere Kommunen entschieden, wichtige Infrastruktur, wie Wärme-, Strom- oder auch Wasserversorgung gemeinsam mit Vereinigten Stadtwerken zu organisieren. Neben Fragen rund um die Wärmewende und der Rolle von kommunalen Versorgern, haben wir auch den Glasfaserausbau im ländlichen Raum besprochen. Die Region rund um Ratzeburg ist Vorreiterin im gesamten Bundesgebiet für die Verfügbarmachung schneller Internetverbindungen. Grund dafür auch das 4.000 km lange Glasfasernetz der 100% kommunalen Vereinigten Stadtwerke. Schon 2009 haben sich die Stadtwerke hier auf den Weg gemacht und das geschafft, was große Konzerne in ganz Deutschland über klassische Marktmechnismen und nicht mal mit enormer Förderung gebacken kriegen.
Mein Fazit: Wir müssen den Glasfaserausbau stärker als Daseinsversorge, also als Basis Grundlage für die Menschen vor Ort verstehen. Immer dann, wenn nur Konzerninteressen den Ton angeben, wird nur dort Glasfasernetz gelegt, wo sich ein Konzern hohe Profite verspricht. Je stärker die öffentliche Hand den Glasfaserausbau vorantreibt, desto eher ist eine gerechte und flächendeckende Abdeckung von schnellem Internet gewährleistet und Gewinne bleiben vor Ort.
Donnerstag: Aachen
Am vierten Tag meiner Sommertour war ich zu Gast in Aachen und einen Tag mit meinem Kollegen Lukas Benner unterwegs. In der Müllverbrennungsanlage Weisweiler wurde vor 2 Jahren der Betrieb der Anlage wieder durch die MVA selbst übernommen und ist somit zurück in kommunaler Hand. Der Konzern RWE ist jetzt nicht mehr am Steuer. Das ist gut, weil es neben effektiver demokratischer Kontrolle, jetzt auch endlich viel größere Transparenz für Bürger:innen gibt. Ganz nebenbei haben sich auch die Bilanzen der Organisation verbessert. In Zukunft soll die Abwärme der Anlagen das Braunkohlewerk von RWE in der Fernwärme ersetzen. Ein Schritt Strukturwandel in der Region. Die STAWAG, Stadtwerke Aachen, sind durch ihre Vorreiterrolle bei den Erneuerbaren Energien besonders gut durch die Herausforderungen der letzten Jahre wie die drohende Gasmangellage im letzten Winter manövriert und vorbereitet für eine klimaneutrale Stromversorgung. Gleichzeitig gibt es Gespräche in der Region, kommunale Versorger zusammen zu bringen.
Freitag: Wuppertal
Mit meiner Kollegin Anja Liebert habe ich die Stadtwerke Wuppertal besucht. Es ging um den Aus- und Umbau der Fernwärme vor Ort. Ein riesiges Projekt mit vielen praktischen Hürden. Im Anschluss war ich noch beim Wuppertal Institut. Hier wird zur Rekommunalisierung geforscht. Ein Satz aus der Wissenschaft, der meine Sommertour auch besonders gut zusammenfasst - Das Hauptmotiv für die Rückname der Verantwortung in öffentliche Hände, ist der Anspruch, Strukturen politisch nutzbar zu machen. Die Politik in unseren Räten will energiepolitisch, wohnungspolitisch, strukturpolitisch nicht von den Renditeansprüchen großer Konzerne abhängig sein, sondern vor Ort zukunftsfeste Strukturen bauen!