Das Thema Gemeinsames Europäisches Asylsystem ist sehr komplex, oftmals schwer zu überblicken und stark umstritten. Daher sollen im Folgenden die konkreten Implikationen für die Kommunen in den Blick genommen werden. Denn die Maßnahmen, die die Innen- und Justizminister*innen verabschiedet haben, helfen den Kommunen weder kurzfristig noch langfristig bei ihren Herausforderungen im Zusammenhang mit Unterbringung und Integration von Geflüchteten. Sie sind keine Entlastung. Stattdessen lenken sie ab von den eigentlich notwendigen Antworten auf die herausfordernde Situation, nämlich eine faire Verteilung von Asylbewerber*innen auf alle Mitgliedstaaten, faire Aufteilung der Finanzierung und gute Integration und Versorgung vor Ort.
Keine solidarische Verteilung der Geflüchteten – keine Entlastung für Kommunen
Es gibt keine Entlastung für die vielen Kommunen, die bereits eine Vielzahl an Geflüchteten aufgenommen haben: Im JI-Rat wurde kein verpflichtender Verteilmechanismus vereinbart. Stattdessen wurde sich auf einen freiwilligen Verteilmechanismus für 30.000 Geflüchtete pro Jahr geeinigt, das heißt: Staaten, die keine Geflüchteten aufnehmen wollen, können sich aus ihrer Zuständigkeit „freikaufen“ und eine festgelegte Summe pro Geflüchteten bezahlen. Unter anderem kann diese auch an Drittstaaten für deren Grenzsicherung gezahlt werden, also beispielsweise können Mittel in die Finanzierung der libyschen Küstenwache fließen. Es ist auch nicht zu erwarten, dass die EU-Staaten, die schon in der Vergangenheit keine oder kaum Geflüchtete aufgenommen haben, dies nun tun werden. Zudem haben mehrere Staaten bereits angekündigt, niemanden freiwillig aufzunehmen.
Abschreckung und Abschottung
Die Reform des GEAS fokussiert sich auf die weitere Errichtung von Grenzzäunen und Mauern und sieht zudem haftähnliche Lager an den Außengrenzstaaten vor. Der Kurs von Abschottung und Asylrechtsverschärfung soll dazu führen, dass weniger Menschen mit Fluchtgesuch in die EU einreisen und somit auch Kommunen vermeintlich entlastet würden. Dies ist aber nicht zu erwarten.
In der Vergangenheit wurde bereits deutlich, dass Abschreckung und Abschottung keinesfalls Menschen von der Flucht abhalten. Diese wird nur gefährlicher und riskanter. Laut Wissenschaftler*innen des Rates für Migration wird die Reform nicht nur zu mehr Chaos, sondern auch zu mehr Leid für die Geflüchteten führen.
Menschen davon abzuhalten, Asylgesuche zu stellen, steht Deutschlands historischer Verantwortung entgegen, die sich aus Deutschlands eigener Geschichte ergibt. Es widerspricht geltender Konventionen, die jedem Menschen das Recht auf Einreichung eines individuell prüfbaren Asylantrags zuschreiben. Es kann ganz im Gegenteil davon ausgegangen werden, dass die Reform zu verstärkten Einreisen nach Deutschland führt. Durch die schlechten Bedingungen in Außengrenzstaaten und den drohenden Freiheitsentzug werden Anreize für Sekundärmigration und irreguläre Migration gesetzt, um Zäune und Lager zu umgehen. Somit können bestehende Probleme verstärkt werden.
Finanzielle und bürokratische Entlastung der Kommunen
Auch die Ressourcenfrage wird für die Kommunen durch die Reform nicht beantwortet, die vereinbarten Gelder fließen nicht an die Länder und Kommunen oder in die dringend benötigten Aufnahmestrukturen von Kommunen und Ländern, sondern stärken die Außengrenzen und die Abschottungspraxis.
Bei der geplanten Asylrechtsverschärfung auf europäischer Ebene wird auch das deutsche Asylsystem in der Tendenz restriktiver werden, denn viele Regelungen sind als EU-Verordnung dann für die Nationalstaaten bindend. Asylverfahren, Rechtsbehelfe, Fristen etc. ändern sich deutlich. Dies würde eine weitere Herausforderung für die Verwaltung vor Ort und die Gerichte darstellen. Außerdem ist auch Deutschland gezwungen Grenzverfahren an allen Häfen und Flughäfen durchzuführen für Menschen aus Ländern mit geringeren Schutzquoten, wie beispielsweise Tunesien, Türkei oder Indien.
Zeitplan der Umsetzung
Die GEAS-Reform muss sich nun dem Trilog-Verfahren der EU stellen, am Ende müsste die Reform noch zwischen Europaparlament und europäischem Rat endgültig verhandelt und beschlossen werden. Dann gäbe es eine Umsetzungsfrist, bevor die neuen Rechtseinschränkungen überhaupt greifen. Selbst wenn man davon ausgehen würde, dass die Reform etwas verändern würde, können also leicht bis zu drei Jahre vergehen, bis die Reform wirklich umgesetzt wäre. Für die Kommunen würde die Reform daher auch erst recht keine akute Entlastung bringen.